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Schüssel zum Erfolg für freiberufliche Sprachmittler
„Die einzige verlässliche Innovationsquelle sind genervte Menschen.“ (Tom Peters, The Little Big Things)
Laut Schätzungen gibt es in Deutschland ca. 35.000 Übersetzer und Dolmetscher, von denen rund 7.000 in einer Festanstellung arbeiten. Der Rest ist auf dem freien Markt tätig und damit unternehmerisch aktiv. Aber anders als in den meisten Fällen einer unternehmerischen Tätigkeit haben sich viele Übersetzer und Dolmetscher diese Form der beruflichen Existenz nicht bewusst ausgesucht, sondern sind nach Abschluss ihrer Ausbildung „einfach hinein gerutscht“. Die Folgen sind entsprechende wirtschaftliche Konsequenzen für den Einzelnen und den gesamten Berufsstand, fehlende Perspektiven in persönlicher und beruflicher Hinsicht und Zwänge, denen man scheinbar nicht entkommen kann.
Dennoch gibt es immer wieder Einzelne und Firmen, die unter diesen Bedingungen sehr erfolgreich sind. Was also ist der Schüssel zum Erfolg? Der Artikel versucht dieser Frage nachzugehen und behandelt dabei die folgenden Themen:
- Die Arbeits- und Marktbedingungen
- Persönliche Voraussetzungen
- Klärung der eigenen Ziele
- Praktische Schritte zur Zielerreichung
- Und wenn es trotzdem nicht passt?
1) Die Arbeits- und Marktbedingungen
Der Markt für Übersetzungs- und Dolmetschdienstleistungen ist im Vergleich zu den 90er Jahren ziemlich ungemütlich geworden. Er zeichnet sich aus durch einen hohen Kostendruck, durch die Veränderung der Marktstrukturen, durch steigende Anforderungen an die Dienstleister und durch Kommunikationsfallen speziell für Frauen – wobei letzteres kein Problem allein von Übersetzerinnen und Dolmetscherinnen ist, sondern fast alle Frauen und manche Männer betrifft.
a) Kostendruck
Der Markt ist inzwischen einem sehr hohen Kostendruck ausgesetzt, eine Tatsache, die sämtliche Wirtschaftsbereiche erfasst hat. Aus Kundensicht heißt das, dass die Qualität des gelieferten Produktes gleich bleibend gut sein soll, aber nicht mehr kosten darf. Hat ein Folgeauftrag Ähnlichkeit mit einem früher erteilten Auftrag, soll der Folgeauftrag oftmals in gleich hoher Qualität, aber dennoch zu einem geringeren Preis abgerechnet werden – ein Teil des Auftrags liegt ja bereits bearbeitet vor, und sei es lediglich die Formatierung. Auch das Internet hat an dieser Entwicklung seinen Anteil, indem Portale entstanden sind, in die man Aufträge oder seine Arbeitskraft einstellen kann, die aber einzig preisgesteuert sind.
b) Veränderung der Strukturen
Der Markt konsolidiert sich, d. h., kleine Einheiten werden durch Zusammenschluss oder Übernahme zu größeren. Einzeln schaffende Übersetzer schließen sich zu Netzwerken oder Unternehmen zusammen, kleinere Übersetzungsbüros gehen in größeren auf, größere werden zu international agierenden, multinationalen Agenturen. Die Konkurrenz unter den weiterhin allein schaffenden Freiberuflern um das kleiner werdende Marktsegment von Aufträgen, die man alleine bearbeiten kann, ist stark und von einem heftigen Preiskampf gekennzeichnet.
c) Steigende Anforderungen
Reichte es vor 20 Jahren, einen guten PC zu besitzen und mit ihm ordentliche Dokumente erstellen zu können, sind heute in immer höherem Umfang Softwarekenntnisse Voraussetzung – ganz zu schweigen davon, dass man immer die neueste Version haben sollte.
Der einzelne Übersetzer muss sich mit dem Für und Wider verschiedener CAT-Tools befassen, sich mit den Möglichkeiten der Cloud auseinandersetzen, muss in Fragen der Internetrecherche, der Sicherungs- und Verschlüsselungstechniken fit sein und sollte obendrein virtuos die Neuen Medien beherrschen. Die Anforderungen an die Qualität des Produktes steigen ebenso wie die Anforderungen an die Prozesse rund um die Erstellung des Produktes, wozu auch die Entwicklung der einschlägigen Normen beigetragen hat. Gefordert ist inzwischen auch ein gewisses Qualitätsmanagement, d. h. die Überlegung, wo man was in welcher Form verbessern kann, und eine entsprechende Dokumentation. Mit solchen Gedanken musste sich in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts noch niemand befassen.
Wichtig geworden ist zudem eine sehr gute Kundenorientierung. Die Kunden heute möchten umworben werden, sie möchten sehen, dass ihr Dienstleister gerne für sie arbeitet und dafür Einsatz zeigt. Wer zeigen möchte, dass er kundenorientiert und offen für neue Entwicklungen ist, bietet auf seiner Internetpräsenz den Kunden sogar die Möglichkeit, online Kostenanfragen einstellen zu können und innerhalb kürzester Zeit eine Antwort zu erhalten.
d) Kommunikationsfallen speziell für Frauen
Frauen haben häufig das Handicap, dass ihr Kommunikationsverhalten ein anderes ist als das ihrer (männlichen) Kunden. Im Geschäftsleben muss man Klartext reden, auch wenn es schwer fällt. Das gilt für alle Bereiche, in denen man Kundenkontakt hat, also für die Angebotserstellung, die Sicherheit in der Preisverhandlung, bei Reklamationen, bei der Durchsetzung der eigenen Interessen, eigentlich bei jedem Thema. Und letztendlich kann man nur verkaufen, was man bekannt macht – Klappern gehört zum Handwerk. Vielen Frauen fällt aber ein entsprechendes Auftreten schwer, obwohl der Markterfolg zu einem Gutteil davon abhängt. Da dieses Thema ein sehr weites Feld ist, zu dem viel Richtiges und Wichtiges geschrieben und in Seminare gegossen wurde, soll hier nicht tiefer darauf eingegangen werden.
2) Persönliche Voraussetzungen
Um den Anforderungen des Marktes genügen zu können, sind bestimmte persönliche Voraussetzungen notwendig. Fachlich als Übersetzer und Dolmetscher sehr gut zu sein ist zwar die Grundlage für alles Weitere, wird aber vom Kunden vorausgesetzt und ist kein Entscheidungskriterium für eine Beauftragung. Fachfremdes Handwerkszeug, z. B. Betriebswirtschaft, Marketing, Akquise und Vertrieb, Netzwerken usw. sind ebenfalls Teil der Fachkenntnisse, die für wirtschaftlichen Erfolg von Bedeutung sind.
Interessant sind die menschlichen Eigenschaften, die ein Unternehmer mitbringen sollte: Selbstvertrauen, Risikobereitschaft, Flexibilität, Beharrlichkeit, geistige Unabhängigkeit, Selbstdisziplin, Leistungsmotivation, Kreativität, Kommunikationsfähigkeit, Initiative, Führungseigenschaften und – last, but not least – Gewinnorientierung. Dabei sollte die Persönlichkeit auch scheinbare Widersprüche wie Flexibilität und Beharrlichkeit, Kooperationsfähigkeit und das Treffen einsamer Entscheidungen in sich vereinen. Mit anderen Worten: Gefragt ist die Eier legende Wollmilchsau. Da vermutlich aber niemand all diese Eigenschaften gleichzeitig besitzt, sollte man sich Hilfe holen. Was man nicht selbst beherrscht wie z. B. Buchhaltung, sollte man auslagern und extern einkaufen. Wissenslücken z. B. in Betriebswirtschaft lassen sich schließen, und durch eine Kooperation mit Kollegen lässt sich das Leistungsspektrum für den Kunden erweitern.
3) Klärung der eigenen Ziele
Angesichts der oben beschriebenen Marktbedingungen und der persönlichen Voraussetzungen für Markterfolg mag sich der Eine oder Andere fragen, ob er oder sie all das überhaupt erreichen kann. Antwort darauf findet, wer sich die Mühe macht, eigene Ziele in Einklang mit den eigenen Stärken zu formulieren.
Wer kein Ziel hat, weiß auch nicht, wohin er sich wenden soll. Ohne Ziel kann keine positive Entwicklung eintreten, sondern es bleibt bestenfalls bei einer Stagnation. Die Fragen, die man sich hinsichtlich seiner Persönlichkeit stellen sollte, sind:
- Was kann ich und was macht mir Spaß?
- Was will ich?
- Wo zieht es mich hin?
- Was ist Erfolg für mich?
- Was macht mich letztendlich glücklich?
- Was kann ich und macht mir keinen Spaß? Kann ich das auslagern oder mich ganz davon trennen?
Sind diese Fragen geklärt, geht es weiter in Bezug auf das eigene Unternehmen:
- Welche Produkte/Dienstleistungen biete ich an?
- Habe ich eine Vision?
- Habe ich eine echte Innovation?
- Was sind meine Stärken und Schwächen (ehrlich analysiert)?
- Was macht mich und meine Dienstleistung so besonders?
- Wie möchte ich mein Unternehmen/ meine Dienstleistung positionieren?
- Wie gut kenne ich den Markt, d. h. meine Kundenzielgruppe, den Wettbewerb und zukünftige mögliche Marktentwicklungen?
Die zuletzt aufgeführten Fragen fallen bereits in das Gebiet Marketing/Vertrieb/Businessplan, für das man u. U. Hilfe von Profis benötigt. Die Beschäftigung mit diesen Fragen ist jedoch entscheidend dafür, dass man auch auf lange Sicht unternehmerischen Erfolg hat.
4) Praktische Schritte zur Zielerreichung
Wie schon deutlich geworden ist, lassen sich die oben genannten Fragen nicht immer am eigenen Schreibtisch beantworten. Aber auch mit der Entscheidung zu wachsen und sich Hilfe von außen zu holen kann mit innerer Überwindung verbunden sein. Da jeder Mensch verschieden und die Ausgangslage immer unterschiedlich ist, können die folgenden Vorschläge nur eine erste Anregung für denjenigen sein, der etwas ändern möchte.
a) Die Komfortzone verlassen
Nehmen Sie Ihre eigene Entwicklung selbst in die Hand. Es verlangt Mut und den entsprechenden Willen, sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen. Wenn Sie das schaffen, gewinnen Sie jedoch das notwendige Selbstvertrauen und überraschen sich vielleicht sogar selbst. Beginnen Sie damit, Ihre Ziele zu formulieren und daraus die nächsten praktischen Schritte für sich selbst abzuleiten.
b) Selbstmarketing betreiben
Gute Arbeit leisten, aber nichts davon erzählen, bringt keinen einzigen Kunden. Gute Leistung muss kommuniziert werden. Um das zu können, sollten Sie anfangen, gut über sich selbst zu denken. Jeder Erfolg beginnt im Kopf. Kommunizieren Sie Ihre Leistungen auf Ihrer Internetseite, aber auch im Gespräch mit anderen. Deshalb ist Netzwerken mit Kollegen, aber auch in branchenübergreifenden Verbänden wichtig.
c) Offen sein für Neues
Neue Technologien wie z. B. Clouddienste oder CAT-Tools stellen große Herausforderungen an uns. Wir sollten sie kennen und nutzen lernen. Aber auch fehlende Kenntnisse in anderen fachlichen Bereichen wie Betriebswirtschaft lassen sich nacharbeiten.
d) Durchhalten! Wer Erfolg haben will, braucht einen langen Atem. Es gibt einen wunderbaren Spruch, der klar macht, was gemeint ist:
Hinfallen – aufstehen – Staub abschütteln – Krone zurecht rücken – weiter gehen! Voraussetzung dafür sind jedoch klare Ziele.
5) Und wenn es trotzdem nicht passt?
Und wenn das alles nun keine spannende Herausforderung für mich ist, sondern mir Angst macht? Wenn ich mit Marketing und Vertrieb, direkten Kundengesprächen und Preisverhandlungen gar nichts anfangen kann und auch nichts damit zu tun haben will, sondern einfach nur tolle Übersetzungen in schwierigster Materie abliefern möchte? Dann ist es auch gut! Dann sind Sie der Agenturtyp, ohne den die Agenturen schließen müssten, weil sie keine guten, freien Mitarbeiter haben. Es gibt sehr interessante Agenturen mit einem ebensolchen Kundenkreis, die genau wissen, was sie an freien Mitarbeitern wie Ihnen haben, die Ihnen die administrativen Aufgaben abnehmen und so zahlen, dass man davon leben kann. Suchen Sie sich solche Auftraggeber, und werden Sie Spezialist/in in Ihrem Gebiet. Auch damit kann man glücklich werden.
Fazit
Ich möchte auf das Zitat ganz zu Beginn des Artikels zurückkommen: Wenn Sie genervt sind, z. B. von den Umständen, unter denen Sie arbeiten, von Lücken, die Sie bei sich entdeckt haben, von fehlenden Zielen oder Kommunikationsmustern, die Ihnen immer wieder Fallen stellen: Ändern Sie, was Sie stört und was sich ändern lässt. Suchen Sie neue Wege, wenn sich eine Situation nicht ändern lässt. Innovation muss ja nicht immer die Erfindung von etwas ganz Neuem sein, es kann auch ein neuer Aspekt oder eine geänderte Einstellung in Ihrem beruflichen Bereich sein. Wenn Sie herausgefunden haben, dass Sie ein Unternehmertyp sind, dann unternehmen Sie etwas. Und wer nun festgestellt hat, dass er kein Unternehmertyp ist, sollte sich auf die Marktlücke konzentrieren, in die er gut passt. In diesem Sinne: Viel Erfolg!
Weiterführende Literaturtipps:
Arbeiten
Svenja Hofert, Praxisbuch für Freiberufler. Alles, was Sie wissen müssen, um erfolgreich zu sein. 4., völlig überarbeitete Neuauflage. Gabal, Offenbach 2012, ISBN 978-3- 86936-435-3.
Stefan Kaiser, Das Chefbuch, Erfolgreich als Kleinunternehmer und Freiberufler, über Internet: http://www. mein-finanzbrief.de/chef/haupt.htm
Miriam Neidhardt, Überleben als Übersetzer, Das Handbuch für freiberufliche Übersetzerinnen, 3., überbearbeitete Auflage, Oktober 2016, ISBN: 978-3-00-054680-8, auch direkt zu beziehen: http://www.überleben-als-übersetzer.de/shop/
Tom Peters, The Little Big Things, 163 Wege zur Spitzenleistung, Gabal 2011, ISBN 978-3-86936-171-0. (Anmerkung: Dieses Buch enthält ein Feuerwerk an Ideen, aus denen man sich das Passende heraussuchen muss. Sehr humorvoll geschrieben.)
Motivation
Stephen Lundin, Harry Pual, John Christensen, Fish!, Ein ungewöhnliches Motivationsbuch, 15. Auflage, Taschenbuchausgabe 2003, Goldmann
Reinhard K. Sprenger, Die Entscheidung liegt bei dir, Wege aus der alltäglichen Unzufriedenheit, Campus Verlag, 14. erweiterte Auflage 2010
Kommunikation
Barbara Schneider, Fleißige Frauen arbeiten, schlaue steigen auf, Wie Frauen in Führung gehen, Gabal 2009
Marion Knaths, Spiele mit der Macht, Wie Frauen sich durchsetzen, Hoffmann und Campe, 5. Auflage 2008
Peter Modler, Das Arroganz-Prinzip, So haben Frauen mehr Erfolg im Beruf, Fischer-Taschenbuch, 4. Auflage 2013
Dieser Artikel erschien im FORUM 1/2014
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